Sind Zwergplaneten keine Planeten?
Die überraschende Wende und Degradierung von Pluto und der anderen „Zwerge“ durch die IAU (Kriterium 3 für einen Planeten) entfacht seit 2006 bis heute einen Streit unter Experten wie auch Laien. Es gibt gute Gründe, die Degradierung zu hinterfragen.
1. Die Umgebung von Planeten
Aktuelle Simulationen zeigen, dass sich die Bahnen der Planeten im Sonnensystem gegenseitig stören und im Laufe von Jahrmillionen stark verändern. Das Freiräumen einer Umlaufbahn ist nie vollständig, sondern eine temporäre Phase in einer dynamischen und chaotischen Entwicklungsgeschichte der Bahnen im Sonnensystem. Daher ist der heutige Zustand eine Momentaufnahme und macht als Definitionskriterium keinen richtigen Sinn: „Grundsätzlich sollte weder die Gestalt oder Lage der Umlaufbahn - noch die Nachbarschaft bei der Planetendefinition eine Rolle spielen“, sagt Planetariumsdirektor Prof. Thomas Kraupe. „Schließlich wird bei der Beschreibung der Begrifflichkeit Auto auch nicht berücksichtigt, ob das Fahrzeug offroad oder auf einer befestigten Straße unterwegs ist. Pluto ist quasi ein Geländewagen im Sonnensystem.“
2. Die Planetologische Vielfalt von Pluto
Pluto erwies sich beim Vorbeiflug der Raumsonde New Horizons im Jahre 2015 nicht etwa als einfaches, totes Objekt nahe der ewigen Finsternis, sondern verblüffte die Forscher mit einer faszinierende Vielfalt von Landschaften, die an unsere Erde heranreicht: Gletscher, Anzeichen von Vulkanaktivitäten und früherer Ozeane sowie komplexer organischer Verbindungen. Auch hat Pluto wie die meisten der Planeten mehrere Monde.
3. Die anderen Planetensysteme
Die Planeten-Definition der IAU von 2006 ist nur auf unser Sonnensystem anwendbar – gilt aber nicht für Planeten, die um andere Sterne kreisen (sogenannte Exoplaneten). Das macht sie wissenschaftlich im Grunde nutzlos - ja sinnlos, zumal dort längst Himmelskörper als Exo-“Planeten“ bezeichnet werden, die im Vergleich zu Pluto viel ungewöhnlichere Umlaufbahnen aufweisen. Im Übrigen kann dort bisher nicht belegt werden, ob Exoplaneten ihre Umlaufbahnen „freigeräumt“ haben.
4. Die unzureichende Einbeziehung der Planetenforscher
Die Planetendefinition der IAU wurde ohne ausreichende Einbeziehung der Planetenforscher oder auch Planetologen getroffen. Obwohl gerade sie - und nicht so sehr die Astronomen - für die detaillierte physikalisch-chemische Analyse der Planetenkörper und deren Umgebung zuständig und fachkundig sind. Die Abstimmung der IAU war kein wissenschaftliches Verfahren. Dies zeigt sich auch in der praktischen Anwendung, denn die IAU-Definition spielt praktisch in keiner einzigen wissenschaftlichen Arbeit der Planetenforschung eine Rolle und wird nicht verwendet.
5. Die wissenschaftliche Scheinwirkung der Definition
Während sich junge Menschen in Schulen und die Öffentlichkeit seitdem damit beschäftigen müssen, die Definition der IAU zu verstehen und zu erlernen, findet sie in der Fachwelt wissenschaftlicher Veröffentlichungen im Bereich der Planetenforschung weder Eingang noch Anwendung. Der Allgemeinheit wird somit lediglich der Anschein einer wichtigen wissenschaftlichen Aussage von Tragweite vermittelt. In Wahrheit ist sie weder verständlich erklärbar noch wissenschaftlich sinnvoll anwendbar.